Feiertage abschaffen für die Wirtschaft? 

Warum dieser Vorschlag ins Leere läuft. 

Immer wieder tauchen in der öffentlichen Debatte Forderungen auf, die angeblich dazu beitragen sollen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu retten oder gar zu stärken. 

Besonders beliebt bei sogenannten oder selbsternannten Wirtschaftsexperten: das Streichen von Feiertagen. 

Die Argumentation klingt zunächst simpel – ein zusätzlicher Arbeitstag bringe mehr Produktivität, mehr Bruttowertschöpfung, mehr Wachstum. 

Doch diese Rechnung geht nicht auf. 

Im Gegenteil: Der Vorschlag offenbart ein verkürztes Verständnis von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und verkennt die komplexen Zusammenhänge moderner Volkswirtschaften.

Die Idee: Mehr Arbeit gleich mehr Wohlstand?

Das Grundargument klingt einleuchtend: Ein zusätzlicher Arbeitstag pro Jahr – etwa durch die Streichung eines bundesweiten Feiertags wie Fronleichnam oder Allerheiligen – könnte volkswirtschaftlich ein Leistungsplus bedeuten. 

Rechnet man grob das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf die Arbeitstage des Jahres um, entsteht die Illusion, dass ein Feiertag rund 0,3 bis 0,5 Prozent zusätzliches BIP bringen könnte. 

Doch solche linearen Rechnungen sind trügerisch und ignorieren zahlreiche realwirtschaftliche Faktoren.

Produktivität ist nicht gleich Arbeitszeit.

In Hochlohnländern wie Deutschland ist die Produktivität pro Stunde entscheidend – nicht die schiere Anzahl der Arbeitsstunden. 

Studien zeigen: Mehr Arbeitstage führen nicht automatisch zu mehr Output. 

Oft sinkt sogar die Effizienz, wenn Menschen ohne ausreichende Erholungsphasen arbeiten. 

Ein übermüdeter, unmotivierter Arbeitnehmer ist weniger produktiv als einer, der ausgeruht und motiviert zur Arbeit erscheint.Feiertage sind keine wirtschaftlichen Leerstellen – sie stimulieren ganze Branchen. 

Gastronomie, Freizeitindustrie, Tourismus und Einzelhandel profitieren von freien Tagen, die Menschen zum Konsum nutzen. 

Besonders innerdeutscher Tourismus blüht an verlängerten Wochenenden auf. 

Wer also einen Feiertag streicht, schadet nicht nur der Freizeitgestaltung, sondern konkret auch kleinen und mittelständischen Unternehmen in diesen Bereichen.Häufig wird mit anderen Ländern verglichen, die angeblich weniger Feiertage hätten und wirtschaftlich besser dastünden.

Doch dieser Vergleich vernachlässigt kulturelle, soziale und strukturelle Unterschiede. 

Frankreich etwa hat mehr Feiertage als Deutschland, ebenso Japan – beides wirtschaftsstarke Länder. 

Die USA haben weniger gesetzliche Feiertage, leiden aber unter anderen Problemen wie hoher Burnout-Rate und mangelnder Work-Life-Balance.

Die tatsächlichen Herausforderungen für den Standort Deutschland liegen nicht im Kalender, sondern in Bürokratie, Investitionsstau, Fachkräftemangel, Digitalisierung und Innovationsschwäche. 

Wer glaubt, man könne diese tiefgreifenden strukturellen Probleme mit einem gestrichenen Feiertag lösen, ignoriert die ökonomische Realität.Feiertage sind nicht nur arbeitsfreie Tage, sondern soziale und kulturelle Ankerpunkte. 

Sie fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ermöglichen Begegnung, Entschleunigung und Reflexion. 

Eine Volkswirtschaft lebt nicht nur vom Output, sondern auch vom sozialen Gefüge, das Stabilität, Vertrauen und langfristige Produktivität fördert.

Ein gestrichener Feiertag bringt vielleicht kurzfristig ein paar Rechenspielchen mit höheren Zahlen auf dem Papier, aber keine nachhaltige wirtschaftliche Verbesserung. 

Wer ernsthaft den Standort Deutschland stärken will, muss sich mit echten Reformen auseinandersetzen: Bildung, Innovation, Infrastruktur, digitale Transformation und nachhaltige Energieversorgung. 

Statt an den wenigen kollektiven Ruhetagen zu rütteln, sollten wir lieber an den vielen strukturellen Defiziten arbeiten.

Feiertage sind kein Luxus – sie sind ein Ausdruck einer zivilisierten Gesellschaft. 

Sie einfach zu opfern, weil ein paar Zahlen besser aussehen sollen, ist kein wirtschaftlicher Fortschritt. 

Es ist Symbolpolitik – und schlechte obendrein.

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