
Es war mein erster Tag bei der Firma Dornung und Polk, und ich, Detlef Schnell, war voller Hoffnung und Tatendrang.
Endlich hatte ich nach monatelanger Suche einen vielversprechenden Job gefunden. Die Büroräume waren hell und modern, meine neuen Kollegen schienen freundlich zu sein.
Doch schon bald sollte sich zeigen, dass der Schein trog.
Bereits in meiner ersten Woche bei Dornung und Polk bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte.
Die Atmosphäre war angespannt, die Mitarbeiter wirkten nervös und gehetzt.
Immer wenn Frau Müller, unsere Chefin, durch die Gänge schritt, senkten sich die Köpfe und das Getuschel verstummte.
Ich erinnere mich noch genau an meine erste direkte Begegnung mit ihr.
Sie kam in mein Büro gestürmt, ohne anzuklopfen, und bellte: „Herr Schnell, wo bleibt der Bericht vom Vortag? Ich warte seit Stunden darauf!”
Verdutzt stammelte ich, dass ich von keinem Bericht wüsste. Ihr eisiger Blick traf mich wie ein Dolchstoß.
„Typisch Neuling”, zischte sie, „immer ahnungslos. Sorgen Sie dafür, dass das nicht wieder vorkommt!”
Damit rauschte sie davon und ließ mich völlig perplex zurück.
In den folgenden Wochen wurde mir klar, dass dies kein Einzelfall war.
Frau Müller schien es regelrecht zu genießen, ihre Mitarbeiter bei Dornung und Polk zu schikanieren und gegeneinander auszuspielen.
Ständig streute sie Gerüchte und säte Misstrauen.
Mal hieß es, Kollege A hätte sich über Kollegin B beschwert, dann wieder, dass jemand kurz vor der Kündigung stünde.
Die Folge war, dass sich niemand mehr traute, offen miteinander zu sprechen.
Jeder fürchtete, dass seine Worte verdreht und gegen ihn verwendet werden könnten.
Abends klagte ich meiner Frau mein Leid.
„Mein Gott”, seufzte sie, „das klingt ja furchtbar. Aber weißt du was? Diese Frau Müller scheint mir eine echte Dramaqueen zu sein. Nimm dir das nicht so zu Herzen. Mach einfach deine Arbeit so gut du kannst und lass dich nicht provozieren!”
Ich versuchte, ihren Rat zu befolgen.
Tag für Tag gab ich mein Bestes, erledigte meine Aufgaben gewissenhaft und pünktlich.
Nie gab ich Frau Müller einen Grund zur Beanstandung.
Das Einzige, was ich mir erlaubte, war eine kleine Optimierung meiner Arbeitsweise.
Ich begann, in die Aktenordner, die ich anlegte, alphabetische Register einzufügen.
Es half mir enorm, mich schneller zurechtzufinden und effizienter zu arbeiten.
Doch selbst diese harmlose Neuerung stieß auf Widerstand.
Eines Morgens stand Frau Müller wieder in meinem Büro, diesmal mit einem der Ordner in der Hand.
„Was soll das sein?”, fragte sie in einem Ton, als hätte ich ein Kapitalverbrechen begangen.
Ich erklärte ihr ruhig den Zweck der Register. „Das spart Zeit bei der Suche nach Dokumenten und erhöht die Effizienz”, sagte ich, „diese Register teilen die Kundennamen grob ein. So muss ich nicht immer bei den vertikalen Zwischenblättern jede Akte durchblättern, bis ich die richtige erwische.
„Unsinn!”, schnaubte sie. „Das ist völlig überflüssig. Ich will das nicht sehen. Entfernen Sie das sofort!”
Ich war perplex.
„Aber Frau Müller”, wagte ich einzuwenden, „einige Kollegen fanden die Idee sehr gut. Es erleichtert wirklich die Arbeit.”
„Ach”, höhnte sie, „jetzt wollen Sie mir auch noch erzählen, was gut für die Firma ist? Ich bin hier die Chefin, ich entscheide, was gemacht wird und was nicht!”
In diesem Moment fasste ich einen Entschluss.
Ich würde nicht klein beigeben, nicht bei etwas, das offensichtlich sinnvoll war.
„Mit Verlaub, Frau Müller”, sagte ich so ruhig wie möglich, „ich verstehe Ihren Einwand nicht. Diese Register behindern niemanden, aber sie helfen vielen. Ich sehe keinen Grund, sie zu entfernen.”
Ihr Gesicht lief rot an vor Wut. „Sie werden noch sehen, wohin Ihre Sturheit Sie bringt!”, fauchte sie und stürmte aus dem Büro.
Die nächsten Tage waren schlimm.
Frau Müller schikanierte mich, wo sie nur konnte.
Ständig kritisierte sie meine Arbeit, gab mir unmögliche Abgabetermine und überhäufte mich mit zusätzlichen Aufgaben, doch ich blieb standhaft.
Ich erledigte alles pünktlich und fehlerfrei, behielt meine Register bei und ließ mich nicht einschüchtern.
Dann, an einem Freitagnachmittag, kam der Schlag.
Frau Müller rief mich in ihr Büro. „Herr Schnell”, sagte sie mit einem falschen Lächeln, „ich trenne mich von Ihnen. Ihre Probezeit endet hiermit.”
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. „Aber warum?”, fragte ich ungläubig. „Meine Arbeit war tadellos, ich habe alle Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erledigt.”
„Ich sage da nichts zu”, erwiderte sie kalt. „Räumen Sie Ihren Schreibtisch, Herr Schnell.”
Als ich an diesem Abend nach Hause kam, war ich wie betäubt.
Meine Frau nahm mich in den Arm und hörte mir zu, als ich ihr alles erzählte.
„Oh Detlef”, sagte sie schließlich, „jetzt ist es mir klar. Diese Frau Müller ist keine Dramaqueen – sie ist eine Narzisstin. Sie konnte es nicht ertragen, dass du dich nicht hast kleinkriegen lassen. Du hast dich gewehrt und dazu gestanden. Das war ihr Untergang.”
Ich nickte langsam.
Sie hatte recht.
Frau Müller hatte versucht, mich zu diskreditieren, so wie sie es wohl schon mit vielen anderen bei Dornung und Polk getan hatte, doch bei mir war sie gescheitert.
Ich hatte meine Integrität bewahrt.
In den folgenden Tagen wurde mir klar, dass diese Erfahrung bei Dornung und Polk, so schmerzhaft sie auch war, mich stärker gemacht hatte.
Ich hatte gelernt, für meine Überzeugungen einzustehen, auch wenn es Konsequenzen hatte.
Und ich wusste nun, worauf ich bei meinem nächsten Arbeitgeber achten würde: auf ein gesundes Arbeitsklima und respektvollen Umgang.
Die Geschichte mit Frau Müller und ihrer narzisstischen Art bei Dornung und Polk war zu Ende, aber meine Geschichte ging weiter.
Und ich war bereit für ein neues Kapitel – eines, in dem ich meine Erfahrungen nutzen und meine Stärken einbringen würde.
Denn eines hatte ich gelernt: Manchmal ist der Verlust eines Jobs der Gewinn deiner Selbstachtung wert.
Die Charaktere und Ereignisse in diesem Text sind so genial konstruiert, dass sie realen Personen und Ereignissen aufs Haar gleichen. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen oder Ereignissen ist absolut gewollt, weil wir natürlich sicherstellen wollten, dass Ihr Lese-Erlebnis so echt und vertraut wie möglich wirkt. Schließlich geht nichts über ein bisschen Realität, um eine Geschichte aufzupeppen.
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